Wir alle sind zurecht stolz auf unser Gesundheitssystem. Unser Gesundheitssystem ermöglicht allen Menschen in der Schweiz eine schnelle und qualitative gute Gesundheitsversorgung. Wir geniessen heute eine höhere Lebensqualität und werden älter. Mit unserer obligatorischen Grundversicherungen sind alle Menschen unabhängig von ihrem sozialen Status und ihren finanziellen Verhältnissen gut versichert. Spätestens während der Corona wurde uns allen nochmals deutlich bewusst, wie wichtig und wertvoll unsere Gesundheitsversorgung ist. Doch die Gesundheitskosten steigen Jahr für Jahr. Der jüngst kommunizierte Anstieg der Prämien verschärft die Situation und legt den unmittelbaren und seit Jahren bekannten Handlungsbedarf dar.
Kostenexplosion – wie geht es weiter?
Das gesamte Gesundheitssystem ist sehr komplex und entsprechend sind auch die Ursachen für die jährliche Kostenwachstum vielfältig. Die Schweiz befindet sich in einem demographischen Wandel, was zu mehr und längeren Behandlungen führt. Andererseits werde in Schweizer Gesundheitssystem die Qualität der Behandlung oft mit der Behandlungsquantität verwechselt, was zu hohen Mehrkosten führt. Zudem fehlt eine national koordinierte Planung der medizinischen Infrastruktur und wir haben auf politischer Seite einen wahnsinnigen Reformstau.
Grundversicherung abschaffen? Kürzungen im Leistungskatalog?
Die obligatorische Grundversicherung ist eine Errungenschaft und darf aus meiner Sicht nicht abgeschafft werden. Eine erste Forderung dazu hat aber eine vertiefte Diskussion angeregt und können wir als Chance für eine integrative Betrachtung nutzen.
Die Diskussion um eine Kürzung des Leistungskatalogs darf nicht dazu führen, dass Personen mit tiefem Einkommen schlechter versichert sein werden. Es ist nicht zielführend, dass Leistungen, welche eine wissenschaftlich bewiesene Wirkung haben, aus dem Leistungskatalog entfernt werden. Hingegen wäre es aus meiner Sicht richtig, die Leistung der homöopathischen Leistungen, deren Wirkung nicht über den Placebo-Effekt hinaus erwiesen ist, aus der Grundversicherung zu streichen und als Zusatzversicherung anzubieten.
Brauchen wir doch eine Einheitskasse?
Heute können alle Krankenkassen die obligatorische Grundversicherung und Zusatzversicherungen anbieten. Das Angebot der Grundversicherung ist stark reguliert und ein Wettbewerb ist für die Krankenkassen hier nicht möglich. Aus meiner Sicht könnte eine Einheitskasse für die Grundversicherung als eine von vielen weiteren Massnahme zur gezielten Kostensenkung beitragen. Die Angebote der Zusatzversicherung muss weiterhin für alle Krankenkassen im freien Wettbewerb möglich sein.
Abschied von der Kopfprämie?
Um die finanziellen Verhältnisse auszugleichen besteht das Instrument der Prämienverbilligungen. Die Prämienverbilligungen sind eine soziale Massnahme. Sie können Haushalte mit eingeschränktem finanziellen Verhältnisse unterstützen, aber nicht das System reformieren.
Eine mögliche Anpassung des Systems von der Kopfprämie hin zur einer einkommensabhängigen Prämie führt aus meiner Sicht zu Fehlanreizen, insbesondere für Teilzeitarbeit. Ein solches System würde besonders den Mittelstand mehr belasten. Ein solches System führt dazu, dass sich Arbeit mit 100% Leistung nicht mehr lohnen wird, da ich dann zu viele Abgaben habe, bzw. es für mich finanziell attraktiver wird, Teilzeit zu arbeiten. Das schadet schlussendlich unserer gesamten Volkswirtschaft. Wenn wir also mehr Geld einem System bereitstellen, dann verschlimmern wir die Situation und belasten zudem den Mittelstand. Wir müssen hier bei den Kosten ansetzen, welche durch Fehlanreize verursacht werden.
Fehlanreize beseitigen
Die Notaufnahme ist für medizinische Notfälle gedacht. Aus diversen gründen besuchen heute vermehrt Patient:innen die Notaufnahme, ohne ein Notfallpatient:in zu sein. Teils ist es Unwissen, oder das Fehlen eines Hausarztes. Die unnötigen Besuche der Notaufnahme . Aus meiner Sicht sollte der Besuch der Notaufnahme pauschale CHF 50.– kosten. Handelt es sich wirklich um einen Notfall, wird der Betrag nicht fällig. Hier müssen wir zudem mit Prävention und bildungspolitischen Initiative ein neues Bewusstsein schaffen.
Die Konsultation der Patienten bei einem Hausarzt ist aus ökonomischer Sicht die günstigste Variante. Ein Hausarzt muss meiner Meinung nach genau gleich verdienen, wie ein Chirurg. Es soll sich finanziell wieder lohnen, Hausarzt, bzw. Hausärztin zu werden. Wir müssen die Anreize für die Hausarztmedizin richtig setzen. Eine Abgabe von Medikamenten muss für die Hausarztpraxen möglich sein. Dafür muss das veraltete Tarifsystem überarbeitet werden. Das aktuelle Tarifsystem wird der Gesamtbetrachtung unserer Lebenserwartung nicht mehr gerecht und führt derzeit zu einer Überversorgung. Wir müssen uns auf die Versorgung der Patientin konzentrieren und nicht auf mengenorientierten Operationen. Mit der geplanten Einführung von EFAS und Tardoc geht dies in einen richtigen Weg.
Heute verdient ein Arzt, welcher mehr Operationen durchführt, auch mehr. Ein Apotheker, welche das teurere Medikament und nicht das Generika verkauft, verdient auch mehr. Das sind krasse Fehlanreize, welche die Gesundheitskosten in die Höhe treiben. Wir brauchen wieder ein ökonomisches Interesse, die Gesundheitskosten wieder zu senken.
Elektronisches Patientendossier
Viele von uns sind heute bereits sehr digital unterwegs. Leider sind wir mit der Umsetzung des elektronischen Patientendossier noch in der Steinzeit. Mit dem elektronischen Patientendossier können wir beträchtliche Kosten sparen und zugleich den Patient:innen einen Mehrwert schaffen.
Prämienverbilligungen ausweiten
Für die oben genannten Reformen bedarf es einer politischen Diskussion und schlussendlich auch einen Konsens. Dies wird längere Zeit in Anspruch nehmen, wir werden nicht morgen eine Lösung haben. Für gewisse Haushalte stellt der Anstieg der Gesundheitskosten aber heute eine reelle und zunehmende Belastung dar. Aus meiner Sicht können wir mit einer sofortigen Ausweitung der Begünstigten für die Prämienverbilligung zielführend die tiefen Einkommen entlasten.
Die Lösung ist aus meiner Sicht nicht noch mehr Regulierungen, sondern die Anreize richtig zu setzen, um die Kosten zu senken.