In einer Welt, in der die Meinungen oft lauter sind als die Zusammenarbeit, ist die Schweiz ein bemerkenswertes Beispiel für eine Nation, die auf Konsens und gemeinsame Lösungsfindung setzt. Während wir in diesem Jahr das 175-jährige Jubiläum des modernen Bundesstaates feiern, ist es an der Zeit, auf unsere einzigartige Kultur des Miteinanders und des respektvollen Dialogs zu reflektieren. Die Gründung unseres Bundesstaates war zwar von Konflikten geprägt, doch es war die Fähigkeit, diese Gegensätze zu überwinden und auf Konsens zu setzen, die uns erfolgreich gemacht hat. In einer Zeit, in der polarisierte Diskussionen die Norm zu sein scheinen, sollten wir uns erinnern, dass unser Erfolg auf der Bereitschaft beruht, aufeinander zuzugehen und gemeinsam die besten Lösungen zu finden. Ich plädiert dafür, die Konsenskultur wieder vermehrt zu stärken, um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Die Schweiz ist ein Land, das auf Konsens und Zusammenarbeit aufgebaut ist. Es ist ein Ort, an dem die Vielfalt der Meinungen und Standpunkte nicht als Hindernis, sondern als Chance gesehen wird. In einem Zeitalter, in dem die Meinungsverschiedenheiten oft lauter sind als die Gemeinsamkeiten, können wir immer wieder neu von diesem Modell lernen.
Die Gründung unseres modernen Bundesstaates im Jahr 1848 war sicherlich ein Meilenstein, aber es war kein reiner Konsens, der diese Verfassung hervorgebracht hat. In den besiegten Kantonen des Sonderbundskriegs gab es Zwang und Demütigung. Dennoch war es entscheidend, dass diese Gegensätze recht bald überwunden wurden. Die Schweiz hat verstanden, dass ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben und politische Institutionen eine Konsenskultur erfordern. Es geht nicht nur um Mehrheiten, sondern auch um Minderheiten, die ihre Stimme haben. Jede und jeder darf mitreden.
Die Konsenskultur in der Schweiz zeigt sich in den vielen Schritten, die politischen Entscheidungen vorausgehen. Sondierungsgespräche, Konsultationsrunden, Vernehmlassungen und parlamentarische Debatten sind hierbei nur einige Beispiele. Selbst die Regierung ist diesem Prinzip verpflichtet und muss Entscheidungen als Ergebnis einer Konsensfindung darstellen. Das mag manchmal langwierig und kompliziert sein, aber es ist ein Weg, der unterschiedliche Perspektiven einbezieht und zu erstaunlichen Ergebnissen führen kann.
Unsere Erfolge als Schweiz beruhen darauf, dass wir unsere Regierungen aus unterschiedlichen Parteien zusammenstellen und uns nicht auf eine inhaltliche Zusammensetzung beschränken. Das zwingt uns dazu, uns mit verschiedenen Meinungen und Standpunkten auseinanderzusetzen, und es ermutigt uns, die besten Lösungen gemeinsam zu finden. Es ist an der Zeit, sich wieder deutlich zu dieser Konsenskultur zu bekennen und der Polarisierung und Meinungsmache entschieden entgegenzutreten.
In einer Zeit, in der oft nur die Meinung der eigenen Bubble zählt, müssen wir uns wieder dem Deliberieren, dem vertieften Auseinandersetzen mit Inhalten, zuwenden. Wir sollten nicht vergessen, dass unser Erfolg auf Zusammenarbeit und Konsens beruht. Es ist an der Zeit, Blockaden aufzubrechen und schwierige Themen anzugehen, sei es in der Europapolitik, beim Klima oder bei der Diskussion um die Neutralität.
Die Schweiz hat die Möglichkeit, eine Zukunft zu gestalten, die ökologisch, wirtschaftlich und sozial ausgewogen ist. Das erfordert, dass wir aufeinander zugehen, uns zuhören und respektvoll miteinander umgehen. Gemeinsam können wir die besten Lösungen finden und eine Zukunft für alle schaffen. Es ist an der Zeit, diese Konsenskultur zu leben und zu stärken, denn gemeinsam kommen wir vorwärts.